Linkshändig geigen

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Bine
Beiträge: 17
Registriert: So 22. Feb 2009, 17:13

Linkshändig geigen

Beitrag von Bine »

Hallo liebe Linkshänderinnen und -händer,

ich war vor einigen Tagen beim Stöbern in Geigenbeiträgen (war es bei der Hoyergeige?) auf einige von euch gestoßen und hatte mich darüber gefreut, weil ich selbst auch eine bin...
(Keine Hoyergeige natürlich, sondern eine Linkshänderin :rolleyes: )

Und nachdem Mario nun wieder für reibungslose Kommunikationswege gesorgt hat (s. technische Probleme...)
nehme ich nochmal einen neuen Anlauf-:

Ich gehöre zur Gattung der "umgeschulten" Linkshänderinnen, d.h. ich musste in der Schule mit rechts schreiben lernen.
Alles andere weiterhin mit links.
Die ersten Saiteninstrumente spielte ich wie meine MitgespielInnen rechtsherum (Gitarre mit 14, Cister mit 15, später Banjo und noch so dies und das). Und da es mir Spaß machte und ich relativ viel spielte, klappte es auch irgendwie, ohne dass ich mir über meine Händigkeit groß Gedanken machte.
Ich hatte aber immer irgendwie das Gefühl, dass ich mich, wenn es schneller wurde, verkrampfte, mit rechts hakte, an Grenzen stieß.
Irgendwann hab ich sie dann umgespannt, erst die Gitarre, dann das Banjo. - Aber da ich ja rechtsherum schon spielen konnte, war das ein völlig neues Lernen. Ein gutes neues stimmiges Gefühl zwar. Nur mühsam und langsam...
Und weil ichs ja schon konnte und eigentlich mit den anderen auch gerne schnell wieder mitspielen wollte, hab ich nach einigen Monaten entnervt die Saiten wieder umgedreht und wieder rechtsherum weitergespielt, routinierter zwar, aber "begrenzt"...

Auch eine Geige gehörte zu meinem Bestand. Mit der hab ich jedoch nie warmwerden können. Hin und und wieder mal hervorgeholt, rechtsherum versucht, war sie mir immer fremd, klang kratzig, war schwer zu spielen. Ich konnte keine Verbindung zu ihr aufnehmen.
Bis ich sie vor wenigen Monaten kurzentschlossen umgerüstet habe.
Und das ist das beste, was mir seit langem passiert ist!
Seit den Weihnachtsferien spiele ich fast täglich, und ich genieße es! Die Melodien fließen so in die Finger, ungeübt zwar noch, aber es fällt mir plötzlich leicht!!! Ich habe Verbindung zu ihr aufgenommen. (Oder sie zu mir?)

Hallo Mario, die Stunde ist fast um, ich beende die Sitzung vorsichtshalber erstmal...

Über linkshändige Rückmeldungen würde ich mich glatt freuen :rolleyes:
Bine

Udo Kretzschmann
Geigenbaumeister
Beiträge: 554
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Re: Linkshändig geigen

Beitrag von Udo Kretzschmann »

Hallo Bine,

1. Ich (Linkshänder) stelle es mir recht schwer vor, plötzlich mit den doch etwas ungelenkeren Fingern der rechten Hand greifen zu müssen. Aber das muß wohl jeder selbst ausprobieren.
2. Geige wird viel in Ensembles gespielt, da kann es sicher schnell zu Bogengefechten kommen, wenn plötzlich ein Linksgeiger mit am Pult sitzt.Bild

3. Und das sehe ich als Geigenmacher am gravierendsten - eine Violine ist aus klanglichen Gründen nicht symmetrisch gebaut. Ich gehe daher fest davon aus, daß eine Geige, bei der einfach die Saiten andersherum aufgezogen wurden, deutliche klangliche Einbußen erleidet. Ein Beispiel: Die Stimme steht in etwa unter den hohen Saiten hinter dem Stegfuß, da dort die Schwingungen der Diskantlage am besten auf den für hohe Töne wichtigen Boden übertragen werden. Und selbst spieltechnisch sind Probleme zu erwarten: Halsneigung, Obersattel und Steg sind bewußt für ein Greifen mit der linken Hand gearbeitet (ich möchte dies nicht einmal unbedingt als rechtshändiges Spiel bezeichnen, sind doch beide Hände gleichermaßen gefordert). Auch stimmt die Saitenlage über dem Griffbrett plötzlich nicht mehr - die Saite mit der größeren Schwingungsamplitude - die G-Saite - bekommt die niedrigere Saitenlage, kann daher leicht schnarren.

Mein Fazit: Wenn man denn schon unbedingt die Geige in die rechte Hand nehmen will, so sollte man sich eine entsprechende Geige bauen lassen. Das stellt übrigens für den Geigenbauer vor die Aufgabe, noch konzentrierter zu arbeiten. Man muß an viel mehr Stellen umdenken und die Routine bewußt durchbrechen, als einem das auf Anhieb erscheint. Für Kunden mit Handverletzungen habe ich das schon mehrfach durchexerziert.

Mit freundlichen auf einer Rechtshändertastatur geschriebenen ;-) Grüßen

Udo

Bine
Beiträge: 17
Registriert: So 22. Feb 2009, 17:13

Re: Linkshändig geigen

Beitrag von Bine »

Hallo Udo,

hab ich dich richtig verstanden? Du bist auch Linkshänder?

ja, es ist wahr, dass meine rechte Hand etwas Nachholbedarf hat, was die Greifroutine auf dem Griffbrett angeht.
Aber dafür bewegt sich meine linke so mühelos leichtfüßig mit dem Bogen, dass ich das gerne in Kauf nehme und auf die rechte noch ein bisschen warte.
Noch etwas finde ich faszinierend: Wenn mir jemand eine Melodie vorspielt, kann ich sie auf der Geige besser übertragen, sie fließt mir leichter in die Finger als z.B. bei Cister und Banjo (rechtsherum). Dabei spiele ich diese Instrumente ja schon viel, viel länger, die Geige (linksherum) erst seit wenigen Monaten.
(Das hat nichts mit den Fingern und auch nichts mit dem Instrument zu tun, das spielt sich im Kopf ab...)

Und da ich keine Orchestermusikerin bin, sondern mich eher bei den Folkies tummle, wird mir so leicht wohl auch kein Ensemblestreicher zu nahe kommen, um mit mir die Klinge (: den Bogen) zu kreuzen... Und die Folkies sind in der Regel eher verträgliche Leute...

Mit den bautechnischen Besonderheiten kennst du dich als Fachmann ja am allerbesten aus.
Meine G-Saite liegt aber z.B. jetzt gar nicht tiefer, weil ich den Steg umgedreht habe. Eine Geigenbauerin aus unserer Ecke hatte mir erst einen fast symmetrischen als mittigen Kompromiss eingebaut. Da gefiel mir aber die Saitenlage nicht so gut, so dass ich jetzt wieder mit dem alten Ur-OMIgeigensteg spiele, nur seitenverkehrt.
Die beiden hohen Saiten, die jetzt über den Bassbalken laufen, klingen schön, die tiefen haben an Volumen verloren, da würde ich mich über gute Ratschläge freuen...

Herzliche Grüße
aus dem schon ganz milden Norden
Bine

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