Cello ohne Eckklötze?

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Joringel
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Cello ohne Eckklötze?

Beitrag von Joringel »

Hallo liebe Experten,

ich bin seit ein paar Monaten im Besitz eines älteren Cellos. Soweit ich bisher herausgefunden habe, handelt es sich wahrscheinlich um ein Cello aus Sachsen/Böhmen. Es hat einen schlichten rotbraunen Lack (eher braun als rot) ohne "Altimitation", und ist ein "Instrument mit Charakter". Man könnte auch "einfache, massive Arbeit" dazu sagen :wink2: Neben einer recht breitjährigen Decke mit ein paar Holzfehlern (kleine Astlöcher, Harzgallen) und etwas unsanft ausgearbeiteten F-Löchern ist es auch im "Nichtbesitz" von Eckklötzen, aber hat dafür eine wirklich hübsche Schnecke.

Nun meine Frage: War es üblich, Celli ("für preisbewusste Verbraucher") ohne Eckklötze zu bauen, und wenn ja, könnte man die Herkunft des Instrumentes geographisch oder zeitlich eingrenzen? Bis wann etwa hat man das gemacht? Ich habe leider keinerlei Signaturen/Zettel etc. finden können, finde aber den Verzicht auf Eckklötze eher ungewöhnlich...

Herzliche Grüsse!

Udo Kretzschmann
Geigenbaumeister
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Re: Cello ohne Eckklötze?

Beitrag von Udo Kretzschmann »

Hallo Joringel,

bei Geigen kam der Verzicht auf Eckklötze sicher häufiger vor, ich schätze mal, da dort die Stabilitätseinbuße nicht so groß ist. Aber auch bei Celli findet man das, respektive findet man eben keine Eckklötze oder es sind nur kleine Brettchen vorgeblendet, um wenigstens den Eindruck zu erwecken. als ob... Bei Geigen findet man diese Tarnung vor allem bei den unteren Ecken, die oberen sind durch die FF-Löcher ohne Beleuchteung ja eh kaum zu erkennen.

Anhand dieser "fehlenden Ecken" (wie die Geigenbauer diesen Umstand meist intern ebkürzen) einen Fertigungszeitraum anzugeben, sehe ich als nicht seriös an. Da gibt das allgemeine Erscheinungsbild und etwa die Holzfarbe sicher mehr Informationen preis. Dafür müßte ich aber das Cello schon in Händen halten.

Provenienz: Sachsen/ Böhmen paßt da recht gut, ja, hier wurde durchaus häufig so "ressourcenschonend" gearbeit.

Keine Eckklötze, dafür reichlich Masse in den Platten, ja das spricht schon für die Zeilgruppe "preisbewusste Verbraucher". Dabei habe ich trotz meiner etwas süffisanten Äußerungen großes Verständnis für die Arbeit dieser damaligen Geigenbauer, wurden die Kollegen damals doch recht arg von den Großhändlern geknechtet.

Für mehr Auskünfte wäre halt ein - möglichst direkter - Blick auf das gute Stück nötig.

Hilft das erst mal? Ich freue mich immer über Rückmeldungen.

Viele Grüße

Udo

Joringel
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Re: Cello ohne Eckklötze?

Beitrag von Joringel »

Lieber Udo,

vielen herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Ich habe mal ein paar Bilder angehangen, vielleicht bekommt man so einen besseren Eindruck von dem Instrument. Also, es ist keinesfalls "lieblos zusammengeschustert"- die Schnecke finde ich wirklich sauber, und auch die Einlagen sind echt (nicht nur aufgemalt).

Augenblicks hat es noch einige kleine Probleme, die ich bei Gelegenheit mal beheben lassen muss- z.B. sind die Wirbel extrem weit drin, offensichtlich wurde das Instrument eine Zeitlang sehr intensiv bespielt.

Zu den Bildern: Die Farbe des Instrumentes wurde einigermaßen getroffen, im Tageslicht ist es noch ein kleines bisschen mehr "bräunlich", also nicht ganz so "rot". Auf den Bildern wo die Zargen und die Schnecke zu sehen sind stimmt die Farbe in etwa.
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Joringel
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Re: Cello ohne Eckklötze?

Beitrag von Joringel »

...noch mehr Bilder….ich übe das mit dem Hochladen noch ein bisschen.
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Joringel
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Re: Cello ohne Eckklötze?

Beitrag von Joringel »

…und noch die (vorerst) letzten. Hier ist die Farbe ungefähr getroffen. Rötliches Braun.
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Joringel
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Re: Cello ohne Eckklötze?

Beitrag von Joringel »

…ich schubse das Thema noch mal hoch… :angel:

Kann jemand anhand der Bilder vielleicht ein paar Vermutungen über das Instrument machen…? Den Erbauer wird man wohl nicht mehr feststellen können, aber vielleicht ein ungefähres Alter?

Udo Kretzschmann
Geigenbaumeister
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Re: Cello ohne Eckklötze?

Beitrag von Udo Kretzschmann »

Hallo Joringel,

so ein bißl wollte ich mich ja drücken, äußert man hier seine Ansichten ja womöglich für die nächsten paar hundert Jahre. Und wenn man dann daneben lag... :wink2:

Mir ist da bei den Bildern schon ein Name aufgetaucht, aber erst noch drei Gegenfragen:
1. Ist die Decke richtig ausgearbeitet, oder nur grob ausgestoßen und der Baßbalken blieb stehen?
2. Sind die Einlage sehr blaß, teilweise kaum die einzelnen Schichten zu unterscheiden?
3. Ist der Lack recht dünn aufgetragen, erscheint teilweise fast nur wie eine Beize?

Eine zeiliche Einschätzung: Mir ist bislang kein Instrument ohne Eckklötze untergekommen, das nach dem 2. Weltkrieg gebaut wurde. Ich würde aber noch ein Stück älter schätzen, vor den 20ern?

Gruß

Udo

Joringel
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Re: Cello ohne Eckklötze?

Beitrag von Joringel »

Lieber Udo,

endlich habe ich es geschafft, einen Zahnarztspiegel zu besorgen-sonst kann man so schwer hineinschauen… Soweit ich das erkenne, ist die Decke innen tatsächlich recht grob gearbeitet, und der Bassbalken scheinbar stehengelassen- also keine wirklich "feine" Arbeit…schade…

Auch wie Du vermutest sind die Einlagen teilweise recht "blass", also die beiden "dunklen" Streifen, und diese sind auch etwas schmaler als der mittlere helle Streifen, und streckenweise wirklich schwerer zu unterscheiden, aber dennoch recht sauber gearbeitet.

Der Lack scheint auf jeden Fall eine Beize oder sowas "drunter" zu haben, zumindest sieht das am Halsansatz so aus. Dort kann aber auch retouchiert worden sein… Sehr dick ist der Lack aber nicht-allerdings weiss ich auch nicht, wie "dick" der sein sollte.

Noch etwas, was vielleicht hilft: Die Mensur ist etwas länger als gewöhnlich, knapp 70 cm, und auch der Abstand/Saitenlänge zwischen Steg und Saitenhalter ist recht lang. Als Anfänger (bzw. Umsteiger) kämpfe ich ganz ordentlich, und die Ansprache ist (vielleicht auch wegen des "kurzen" Saitenhalters?) recht schwer und nicht "frei" (hat sich aber schon sehr verbessert, seit ich es spiele, vorher hat es jahrelang herumgelegen).

Aber WENN man das ganze Mal zum Schwingen gebracht hat, hat man (bzw. vielleicht nur ich) das tolle Gefühl, "im Ton drin" zu sitzen, und dieser hat eher etwas "Raues", "Grobes", teilweise "silbriges", nicht "lyrisch-singend-süss". Wahrscheinlich ist das aber für den Spieler anders als für die Zuhörer, insofern ist da mein Eindruck natürlich subjektiv und von -bisher- sehr begrenztem Können geprägt. Aber ich habe den Eindruck, dass da "viel mehr drinsteckt"- auch wenn ich es leider noch nicht "herausspielen" kann.

Ich weiss, dass Schätzungen von Fotos schwierig sind, und dass es bei einem Instrument ohne "Herkunftsnachweis" nach so langer Zeit schwierig bis unmöglich ist, den Erbauer "festzulegen". Aber was wäre Dein Tip bzw. Deine Vermutung, also die Deiner Meinung nach wahrscheinlichste Herkunft?

Herzliche Grüsse und eine wunderschöne Vorweihnachtszeit!!!

Joringel
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Re: Cello ohne Eckklötze?

Beitrag von Joringel »

Lieber Udo,

magst Du mir vielleicht nicht doch den Namen verraten, der Dir in den Sinn kam? Also, formuliere ich die Frage einfach mal um, damit Du dich nicht bezüglich dieses Instrumentes "festlegen" musst: Wer hat Instrumente gebaut, die diesem Instrument ähnlich sind (=das heisst ja nicht, dass dieses Instrument zwingend von diesem Erbauer ist)?

Frohes Neues und viele Grüsse! :violin:

Udo Kretzschmann
Geigenbaumeister
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Re: Cello ohne Eckklötze?

Beitrag von Udo Kretzschmann »

Hallo Joringel,

naaa gut...

Mir kam, vielleicht auch weil ich gerade ein entsprechendes Instrument in der Werkstatt hatte, der Name Ernst Schetelig in den Sinn, hier in Markneukirchen ist er als "Girng Ernst" bekannt. Und Deine Antworten lassen die Wahrscheinlichkeit aus meiner Sicht steigen.

Allerdings habe ich bislang noch kein Cello von ihm gesehen. Und ich kenne Geigen von ihm, die mit diesem Cello sehr sehr wenig gemein haben. Aber vielleicht hat er ja sehr unterschiedlich gearbeitet.

Nun bin ich auch auf Kommentare von Kollegen gespannt.

Viele Grüße

Udo

Joringel
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Re: Cello ohne Eckklötze?

Beitrag von Joringel »

Lieber Udo,

vielen herzlichen Dank! Bemerkenswert finde ich die Diskrepanz zwischen der einfachen Innenarbeit und der "Aussenarbeit"- die Schnecke ist tief gestochen und harmonisch, die Einlagen sauber gearbeitet, und das Cello hat auch nach jahrelangem Gebrauch (stark "eingedrehte" Wirbel...) keine grossen Risse (klar hat es ein paar Macken…)- offensichtlich wurde mit gut abgelagertem Holz und einem gewissen Erfahrungsschatz gearbeitet.

Also, vielleicht ist es von Schetelig, vielleicht nicht- wer weiss. :wink2:

Viele Grüsse!

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