Bernardel-Cello

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Theramus
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Bernardel-Cello

Beitrag von Theramus »

Sehr geehrte Damen und Herren,
vor einiger Zeit erwarb ich ein Cello, das ich selber als ein Vogtländisches Instrument einschätzen würde, was mir auch mein Geigenbauer bestätigte. Der bräunliche Lack in Verbindung mit geschwärzten Rändern und die etwas
weniger spitz zulaufenden Ecken sprechen dafür. Das Instrument wurde taxiert auf etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Boden ist sehr eng geflammt, ebenso deutet die Verwendung des restlichen Holzes auf einen handwerklich geschickten Meister hin. Das Modell ist etwas zierlich gehalten (Gagliano?) mit einer Mensur von 68,5 cm. Das Instrument ist klanglich eines neuen hochwertigen Meisterinstrumentes ebenbürtig und lässt sich sehr leicht spielen. Jetzt meine Frage: Im Inneren des Instrumentes klebt ein Zettel mit der Aufschrift: Gustave Bernardel Luthier du Conservatoire de Musique
No.22 1895. Gab es ein Geigenbauer aus der Markneukirchener Gegend, der selbst in Paris lernte, oder handelt es sich um eine Bernardel-Kopie, oder war es damals Usus gefälschte Zettel im Korpus anzubringen, um dem Instrument eine berühmtere Provenienz anzuhaften, sei es direkt vom Erbauer selber oder eben nachträglich?
Da ich sehr mit dem Instrument verbunden bin, wäre ich für eine Rückantwort dankbar. Vielleicht lässt es sich innerhalb der Geigenbaugeschichte von Markneukirchen recherchieren, um diesen Sachverhalt etwas aufzuhellen.

Eine weitere Frage würde mich brennend interessieren:
Warum werden alte vogtländische Streichinstrumente bei der Taxierung immer schlechter bewertet als andere Geigenbauschulen (Italien, Frankreich, England, Holland)? - das ist zumindest meine Erfahrung in Gesprächen mit verschiedenen Geigenbauern. So viel minderwertiger können sie doch gar nicht sein!
Herzlichen Dank für Ihre Mühe im Voraus!
Viele Grüße
Markus Pohl

Udo Kretzschmann
Geigenbaumeister
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Beitrag von Udo Kretzschmann »

Sehr geehrter Herr Pohl,

gleich vorausgeschickt - ohne das Instrument selber in Händen zu halten kann man über das Instrument eigentlich nichts sagen. Aber auf Ihre Bemerkungen und allgemeinen Fragen möchte ich doch ein wenig eingehen.

Geschwärzte Ränder würde ich eigentlich nicht als "typisch vogtländisch" bezeichnen. Ich kanne das an italineischen und französichen Instrumenten. In Markneukirchen wurde hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich geschwärzt, wenn man Instrumente solcher Provenienz kopierte.

Für mich ist auch ein sehr eng geflammter Boden kein Indiz für ein Meisterinstrument, ich kenne zumindest auch sehr simple Arbeit mit wunderschönem Holz! Aber wahrscheinlich machte die Summe der Fakten für einen Geigenbauer einen deutlichen Gesamteindruck, was man schriftlich schwer wiedergeben kann. Vielleicht handelt es sich ja auch um den typisch vogtländischen Ahorn, den man aber kaum beschreiben kann.

Nun zu Ihrer ersten Frage:
Ja, es gab Geigenbauer, die in Paris lernten bzw. dort für eine gewisse Zeit arbeiteten. Vor allem fallen mir dabei aber die Bogenmacher ein:
Herrmann Richard Pfretzschner, der bei Vuillaume seine Ausbildung beendete,
Otto Albert Hoyer, der von den Markneukirchnern gleich den Beinamen "Der Pariser" erhielt,
Herrmann Wilhelm Prell, der 1897 bei Sartory in Paris arbeitete,
Johann Christoph Nürnberger, der fünf Jahre bei Vuillaume arbeitete,
nicht zu vergessen Paul Weidhaas, der sich bei Victor Fétique, Paris vervollkommnete.

Geigenmacher, die in Paris gelernt oder gearbeitet haben, sind scheinbar nicht so zahlreich. Mir fällt da auf Anhieb nur Robert Penzel ein, der wohl bei Henri Français in Paris war. Er war aber bestimmt nicht der einzige!

Die Fragestellung, wer alles in Paris gelernt oder gearbeitet hat, umfänglich zu recherchieren muß ich leider ablehnen, gab es doch um die Jahrhundertwende zum 20.Jh. meines Wissens um die 300 Geigenmacher in Markneukirchen...

Zettel mit Namen eines französichen oder meist italienischen Geigenbauers wurden, wie im Forum schon mehrfach geschrieben, sowohl von den Geigenbauern als auch - und vor allem - von den Händlern, den sogenannten Fortschickern geklebt. Ich würde dabei nicht einmal Fälschungsabsicht unterstellen. Damals wußte man einfach, daß es mehr eine Art "Modell- Angabe" war.

Um was es sich nun bei Ihrem Instrument handelt, um eine Fälschung, eine Kopie oder einfach ein hiesiges Instrument mit (beliebigem) in diesem Falle Bernardel- Zettel, das kann wirklich nur ein Geigenbauer mit dem Cello in Händen feststellen, siehe erste Zeilen!

Zur zweiten Frage:
Da rennen Sie bei mir offenen Türen ein und zugleich kann ich es Ihnen nicht so recht beantworten. Ja, ich finde auch, daß deutsche und besonders vogtländische Instrumente bei der Bewertung zu schlecht wegkommen. Es steht außer Frage, daß im Vogtland eine Vielzahl einfachster Instrumente hergestellt wurde - ob in Klingenthal, Markneuklirchen, Schönbach - oft ist das gar nicht mehr zu unterscheiden, nicht zuletzt wegen der Lieferbeziehungen. Zugleich wurden aber zu allen Zeiten auch hervorragende Meisterinstrumente in Markneukirchen gefertigt, und diese werden leider, vielleicht indem man sie mit in den Massenwaren- Topf wirft, völlig unterbewertet. Wenn Sie eine Lanze für diese guten vogtländischen Instrumente brechen wollen - auch die heutigen Meister werden Ihnen dankbar sein! :)

Mit freundlichen Grüßen

Udo Kretzschmann

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