F. Arthur Uebel 822 (Böhm)

Moderatoren: Dr. Enrico Weller, Mario Weller

Antworten
Konstantinos
Beiträge: 1
Registriert: Di 05. Apr 2011, 13:30

F. Arthur Uebel 822 (Böhm)

Beitrag von Konstantinos »

Guten Tag!

Nach interessierter Lektüre des Forums hier möchte ich gern ein paar Fragen zu einem scheinbar seltenen Modell stellen, das hier keine Erwähnung findet.
Ich habe eine A- und B-Klarinette von F. Arthur Uebel mit Böhm-System geerbt. Die Seriennummern sind 822 - 821366 und 822 - 832099 (Die Baujahre folglich 1982 und 1983, nichtwahr?).
- Wieviele Klappen, Ringe und Triller haben sie? Ich zähle 7 Ringe und 20 Klappen – aber es dürften doch höchstens 19 Klappen sein und ich erkenne Klappen und Triller nicht auseinander.
- Ist es von Außen möglich zu erkennen, ob Kork und Polster in Ordnung sind?
- Welche Probleme können auftrete, wenn sie 10 Jahre nicht mehr gespielt, aber sachgerecht gelagert worden sind? Verstimmung?
- Stimmt es, dass die 822er als Profi-Instrumente gedacht waren und die besseren Böhm-Klarinetten von FAU sind?
- Was wäre allgemein von 822ern zu halten? Die Zeit gilt ja, wie ich auch dem Forum entnehme, nicht als Höhepunkt der Firma, aber immerhin waren die Instrumente in Besitz eines Profi-Musikers.

Besten Dank!
Schönen Gruß!
Konstantinos Voulgarakis

Dr. Enrico Weller
Mitglied des Museumsvereins
Beiträge: 515
Registriert: Do 26. Jan 2006, 20:44
Wohnort: Markneukirchen

Re: F. Arthur Uebel 822 (Böhm)

Beitrag von Dr. Enrico Weller »

Lieber Konstantinos,
die meisten Ihrer Fragen konnten Sie sich ja aufgrund älterer Beiträge in unserem Forum selbst beantworten.
· Die Baujahre Ihrer Klarinetten sind durch die Seriennummern eindeutig.
· Nach den Angeboten der Firma Uebel (im Rahmen von Sinfonia 1981 bzw. B & S 1989) war die Nr. 822 das oberste Modell, wenn man so will also das Solisteninstrument, welches auch im Satz A/B angeboten wurde. Es entsprach dem Modell 821 (7 Ringe, Gabel Es-B-Mechanik, Es-Hebel), hatte aber nicht 19, sondern 20 Klappen, weil es bis Tief-Es ausgelegt war.
· Die Boehm-Klarinetten der vogtländischen Betriebe bis 1989 waren nicht nur für den West-Export gedacht, sondern wurden vielfach auch im osteuropäischen Raum und auf dem Balkan geblasen, wo das deutsche System nicht oder nicht mehr verwendet wurde. Und dort gab es ja auch einen Bedarf von Profimusikern.
· Von der Ferne lässt sich der Zustand Ihres Instrumentes sicherlich schlecht beurteilen, hierzu sollten Sie sich von einem Instrumentenbauer beraten lassen (auf unserer Museumsseite gibt es dazu auch einige Hinweise).
· Bei sachgerechter Lagerung kann das Instrument sich nicht verstimmen, aber es wird trocken. Deshalb raten viele Hersteller dazu, nach längeren Pausen die Klarinetten langsam wieder einzublasen, sonst kann das trockene Holz reißen.

Herzliche Grüße
E. Weller

Pia Polte
Beiträge: 1
Registriert: Mo 12. Mär 2012, 11:20

Re: F. Arthur Uebel 822 (Böhm)

Beitrag von Pia Polte »

Liebe Klarinettenfreunde,

da wieder mal eine 822 bei Ebay verkauft wird und auf diesen Thread verwiesen wird möchte ich mich jetzt einmischen und die Sache mit dem Böhm-System aufklären.

Leider lese ich immer wieder "Böhm-System", aber inzwischen bezweifele ich dass bei F. Arthur Uebel vor 1989 jemals Klarinetten mit Böhm-System gebaut wurden. Hatte selbst aber noch kein Modell 810 in der Hand welches noch eines sein könnte.

Die Modelle 811, 821 und 822 sind Klarinetten mit deutschem System, nur die "Griffweise" ist französisch. Es handelt sich also um Klarinetten die man auch als Reform-Böhm bezeichnet: Die französische Griffweise auf ein Rohr mit deutscher Bohrung geschraubt. Sie können ihren vollen Klang nur mit einem Mundstück entfalten das für eine Klarinette mit deutscher Bohrung gedacht ist und so auch mit einem deutschen Blatt gespielt wird.

Die deutsche Bohrung hat aber leider zur Folge, dass die beiden tiefsten Töne E und F zu tief erklingen, da die Bohrungen der Tonlöcher auf die viel öfter verwendeten überblasenen Töne H und C abgestimmt sind. Dies wird bei professionellen Deutsch-System Klarinetten dadurch umgangen dass die beiden tiefsten Töne durch zusätzliche Resonanzklappen (eine davon die Becherklappe), mit einem zusätzlichen Daumenhebel bedient, angehoben werden können (die Tief-E/F-Verbesserung). Die professionellen Wurlitzer-Klarinetten einschließlich der professionellen Wurlitzer Reform-Böhm haben das, die von F.Arthur Uebel in der DDR gebauten 682er (deutsche Griffweise) haben das auch. Die 811, 821 und 822 haben das aber nicht, bei ihnen sind die beiden tiefen Töne E und F leider zu tief.

Klarinetten mit französischem System besitzen diese Problematik nicht da die nicht wirklich vollständig zylindrische französische Bohrung das Problem umgeht.

Zusätzlich zu der Tief-E/F-Problematik kommt noch dass die zu DDR Zeiten gebauten Klarinetten schlecht eingestellt, teilweise mit defekten Tonlöchern und gerissenen, verschraubten Hölzern ausgeliefert wurden und man nur mit viel Glück eine Klarinette erhielt die leicht anspricht und gut intoniert. Man bekommt keine Ersatzteile mehr, die Nachfertigung derer ist sehr teuer und viele Instrumentenbauer mögen diese Klarinetten zwecks Überholung gar nicht erst anfassen. Deswegen kann man die Uebel Reform-Böhm Modelle nicht gerade als professionelle Klarinetten bezeichnen und sie wurden auch in Westdeutschland nicht von Profis gespielt, im Osten nahm man das was man bekam.

Meine 821er war schon ab dem Kauf 1982 völlig unspielbar, ich hatte sie dann auch nicht mehr benutzt. Die 25 Jahre später erfolgte Generalüberholung mit Reparatur eines defekten Tonlochs war dann teurer als mich die Klarinette neu gekostet hat.

Das Original Uebel-Mundstück mit dem viereckigen Kessel ist der allerletzte Schrott. Es gehört sofort ersetzt.

Reform-Böhm braucht man also nur in Deutschland wenn in einem (professionellen) Orchester aus klanglichen Gründen nur Klarinetten mit deutschem System zugelassen sind und man selbst aber die französische Griffweise bevorzugt. Es macht aber nur Sinn wenn man zu der passenden B-Klarinette auch die passende A-Klarinette hat, mit gleichem System wo ein Mundstück auf beide Klarinetten passt. Zwei Klarinetten verschiedenen Systems mit zwei verschiedenen Mundstücken bringen dann auch nichts, da ein Blatt dann stets austrocknet und beim Klarinettenwechsel dadurch nicht mehr spielbar ist.

Außerhalb Deutschlands wird Böhm-System gespielt und das Tief-E/F-Problem gibt es somit dort auch nicht.

In der Literatur für Klarinette kommt das an der 822 zusätzlich vorhandene tiefe Es nicht vor und die 822 passt auch nicht in einen normalen Klarinettensatzkoffer. Deswegen habe ich vom Erwerb dieses Modells bisher abgesehen.

Herzliche Grüße
Peter Polte

Antworten