Fritz Schüller (1883-1977)

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Hans aus Holland
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Fritz Schüller (1883-1977)

Beitrag von Hans aus Holland »

Ich habe für meine Sammlung Deutsche Solisten Klarinetten aus 20.er Jahrhundert eine interessante B Klarinette (hybrid voll-Boehm ohne Tief-Es / Deutsch system, roller für linker und rechter kleinen Finger, kein linker c" Klappe!) ) von Fritz Schüller/Markneukirchen mit Seriennummer 7002 (ich schätze aus ungefähr 1957) erworben Die Klarinette ist sehr schön gearbeitet.
Ich habe schon Information gesammelt betriffs diese bekannte Meister (patentierte Vierteltonklarinette usw.). Basiert auf Preisliste 21 (aus 1943?) ist die Werkstatt in 1905 gegründet.
Wie kann Auskunft geben über die volgende Fragen?
Familengeschichte, Ausbildung Fritz Schüller, Werkstatt Information (anzahl Mitarbeiter, Adresse und Ende Werkstatt) und welche Meister haben bei Ihnen gelernt? Zum aufbauen einer Seriennummer Outputdiagramm bin ich sehr interessiert in einer Schätzung letzter Seriennummer (vielleicht ungefähr Nummer 7540 um 1970?)
Es sind spezialierte Fragen, ich hoffe das vielleicht Dr Weller oder Meister Herr Gottfried Meinert bescheid geben können.

mit feundlichen Grüssen aus Holland

Dr. Enrico Weller
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Beitrag von Dr. Enrico Weller »

Lieber Herr de Nijs,

einige kurze Antworten auf ihre Fragen

Daten / Familie: Fritz Hermann Schüller
16.04.1883-06.04.1977
Sohn des Holzblasinstrumentenmachers Wilhelm Hermann Schüller
(1856-1929) aus Wohlhausen, der aber nicht selbständig gearbeitet hat
Lehre bei der Firma F. G. Uebel, für die wahrscheinlich auch der Vater arbeitete
Adresse: Markneukirchen, Mosenstraße 6


Bis 1963 tätig war er in seiner Werkstatt mit bis zu vier Gesellen und Lehrlingen tätig, 1963 schied der letzte Mitarbeiter aus, bis ca. 1968 soll Schüller noch gearbeitet haben. Er hat nur seine Klarinetten, Oboen und Englischhörner nummeriert, Flöten hat er von Kurt Jacob und Saxophone von Franz Köhler bauen lassen, aber mit eigenem Signum verkauft

In den 1950er Jahren wurden jährlich mehr als 100 Instrumente gebaut. Die letzten Seriennummern sollen knapp vor der 9000 (bei 8900) gewesen sein. Die Einordnung Ihrer Klarinette Nr. 7002 ist demnach stimmig. Genauere Angaben zu den Schüller-Seriennummern sind aber nicht mehr möglich.

Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen noch eine Pressetext aus dem Jahr 1993 schicken, in dem Sie ebenfalls einige Angaben über Fritz Schüller finden können.


Mit freundlichen Grüßen
E. Weller

Johannes Meinel
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Beitrag von Johannes Meinel »

Sehr geehrter Herr de Nijs,

die wichtigsten Informationen hat Ihnen Herr Dr. Weller bereits geschrieben. Nur noch ergänzend: zwei seiner Mitarbeiter (Johannes Schreier aus Breitenfeld und Rolf Kästner aus Adorf) arbeiteten von ca. 1962/63-1976 bei HB Theo Markardt in Erlbach und später in Markneukirchen bei der Firma Gebr. Mönnig. Beide sind heute als HB nicht mehr tätig.

MfG

Johannes Meinel

Fritz Schüller
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Re: Fritz Schüller (1883-1977)

Beitrag von Fritz Schüller »

An alle Interessierten!

Ich habe seit einigen Wochen eine B-Klarinette von Fritz Schüller, Ser. Nr. 6284. Sie entspricht genau dem Modell 531 der Preisliste Nr. 21 aus dem Jahr 1938. Sie hat also 5 Ringe, 17 Klappen (das heißt 17 zu bedienende Elemente, wobei die jeweils fest verbundenen Ringe als eine Klappe zählen). Sie schaut auch ganz genau so aus wie die in der Preisliste abgebildete Klarinette des Mod. 532, nur dass sie drei Seitenklappen am Oberstück hat, statt vier (daher Mod. 531).

Die Gesamtlänge außen (Birnenoberkante zu Becherunterkante) beträgt 589 mm, die Birne ist außen 55,2 mm lang.

Vor kurzem habe ich das Instrument so weit spielfähig gemacht, dass ich die Intonation überprüfen konnte: Es scheint in der englischen Stimmung (902 bzw. 446 Hz) gebaut zu sein (siehe Preisliste 21). Mit einem Zwischenring von 2,5 mm Stärke und zusätzlich leichtem Ausziehen der Birne lässt sich das Instrument einwandfrei für 443/444 Hz verwenden. Die Intonation ist sogar recht gut.

Meine Frage wäre nun: Für wen wurden Instrumente mit dieser speziellen Stimmung gebaut? Normalstimmung wäre laut Preisliste 870 (also 435) Hz und amerikanische Stimmung 880 (also 440) Hz. Nach der Seriennummer vermute ich (siehe Beitrag von Dr. Weller), dass das Instrument aus den Vierzigerjahren stammt. Also muss es jemanden gegeben haben, der so eine Stimmung um diese Zeit gebraucht hat.

Die Klarinette hat vor mir übrigens eine Lehrerin in Hamburg besessen, mehr läßt sich dazu aber leider nicht in Erfahrung bringen. Ich habe die Klarinette genau vermessen und sende gerne die Daten und ein Foto per e-mail, falls sich jemand dafür interessiert.

Fritz Schüller (zufällige Namensgleichheit, nicht verwandt) aus Wien

Beroge
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Re: Fritz Schüller (1883-1977)

Beitrag von Beroge »

Fritz Schüller hat geschrieben: Meine Frage wäre nun: Für wen wurden Instrumente mit dieser speziellen Stimmung gebaut?.
aus einem alten vogtl. Holzblasinstrumentenkatalog (ca.1925-35)
Stimmung betreffend
Bei Bestellung erbitten Angabe, ob die Instrumente gewünscht werden in Tonart A, B, C, Des oder F und ob Stimmung in:
A = 870 Schwingungen = Normalstimmung, allgemein gebräuchlich, internationale, tiefe Stimmung
A = 880 Schwingungen = Neue amerikanische Orchesterstimmung
A = 888 Schwingungen = Alte Wiener Stimmung
A = 902 Schwingungen = Hohe englische Stimmung
Fehlt obige Angabe, so erfolgt die Lieferung in Normalstimmung A = 870 Schwingungen


Vor einer akzeptablen und international anerkannten Orchesterstimmung von ca. 442- 444 Hz für den Kammerton „A“ Mitte des 20.Jahrhunderts gab es verschiedene Strömungen für das „vollendete Klangideal“. Je nach Durchsetzungskraft und begründeten Überzeugungen wurden die Instrumentenstimmungen in verschiedenen Regionen in gewisser Vorreiterschaft und Entwicklung festgelegt.
Die Instrumentenmacher hatten nun die Aufgabe, die Instrumente ihrer Besteller in der Tonhöhe anzufertigen, dass die Benutzer sie in den Orchestern mit einer anderen, als allgemein gebräuchlichen Stimmung, ohne Probleme benutzen konnten.
Die besprochene B-Klarinette Nr. 6284 von Fritz Schüller war bestimmt noch eine der seltenen Fälle, bei dem das Orchester noch an der alten hohen Stimmung festgehalten hat. Diese musikalischen Vereinigungen sind heute kaum noch örtlich festzustellen, da allgemein eine gleitende Anpassung an die heutige Stimmung erfolgte.

Beroge
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Re: Fritz Schüller (1883-1977)

Beitrag von Beroge »

Dr. E.Weller hat geschrieben: 1963 schied der letzte Mitarbeiter aus, bis ca. 1968 soll Schüller noch gearbeitet haben.
Die letzten Seriennummern sollen knapp vor der 9000 (bei 8900) gewesen sein..
Ergänzend zu den Seriennummern kann ich hier noch meine persönlichen Erinnerungen dazu beitragen.
Als junger Musikstudent brauchte man heute, wie früher gute Instrumente.
Da die Mehrheit der Klarinettenstudenten Schüllerklarinetten spielten, war es keine Frage zu welchem Modell man sich entscheiden sollte, zumal unser damaliger Professor ein freundschaftliches und fachliches Verhältnis zum Meister Schüller hatte und oft in Markneukirchen seinen Urlaub verbrachte. Diese Zeit nutzte er auch um die Instrumente seiner Studenten etwas nachzuarbeiten und in eine gute Intonation zu versetzen, da in den letzten Jahren das Meisterliche etwas nachzulassen schien, so auch geschehen mit meinem Klarinettensatz. Nach zweijähriger „DDR üblicher“ Wartezeit, vermutlich auch bedingt durch die langsame Aufgabe seiner Instrumentenherstellung, konnte ich im Februar 1965 meine neuen Klarinetten beim Meister-Schüller selbst abholen.
Da er Mitglied der „Migma“ war, habe ich den Betrag von 1627,- MDN im Büro der Genossenschaft selbst in bar eingezahlt. Er konnte sich aber nicht zurückhalten und erzählte mir, dass er den Satz für 1120,- MDN an die Genossenschaft offiziell abgeben müsse.
Einem glücklichen Zustand ist es zu verdanken, dass diese „Migma“ Rechnung (vom 8.2.1965) noch in meinem Besitz sich befindet, da ich die Klarinetten 1993 verkauft habe.
Die Instrumentennummern lauteten: von B und A Klarinette Nr. 8976/8977.
Ich kann deshalb behaupten, eine der letzten Klarinetten von Meister Schüller bekommen zu haben.

Gruß Beroge

Fritz Schüller
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Re: Fritz Schüller (1883-1977)

Beitrag von Fritz Schüller »

Zu meinem Beitrag vom vergangenen Jahr betreffend die Stimmung der Klarinette Ser. Nr. 6284 in meinem Besitz möchte ich folgende Ergänzung bzw. Korrektur anbringen:

902 Hz entspricht natürlich 451 Hz und nicht 446 Hz, wie ich schlampigerweise geschrieben hatte. Habe das Instrument gestern wieder einmal genauer auf seine Intonation untersucht und komme jetzt zu folgendem Schluss: Die Birne (ca. 52 mm lang) dürfte nicht original sein. Wenn ich entsprechende Zwischenringe einbaue und sie damit um 4 mm verlängere, habe ich eine sehr gute Intonation bei 440 Hz. Das deckt sich auch mit meinem Ergebnis vom vergangenen Jahr, wo ich mit 2,5 mm Verlängerung sehr gut 443 Hz erreicht habe.

Die Normalstimmung gemäß Katalog 21 aus 1938 war aber 435 Hz. So tief lässt sich mein Exemplar aber nicht spielen, da passen die Kopftöne mit den langen Tönen überhaupt nicht mehr zusammen. Jetzt wäre es natürlich interessant zu wissen, wie lange überwiegend Klarinetten mit 435 Hz und ab wann überwiegend solche mit 440 Hz geliefert wurden.

Fritz Schüller (zufällige Namensgleichheit), Wien

Dr. Enrico Weller
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Re: Fritz Schüller (1883-1977)

Beitrag von Dr. Enrico Weller »

Die wichtigste Zäsur war zweifelsfrei die Stimmtonkonferenz von 1939, die den Kammerton a' auf 440 Hz festlegte.
Hierzu fallen mir aber mehr Fragen ein als Antworten:
Fasste die Konferenz (besser spät als nie) nur das in Worte, was im Allgemeinen schon längst üblich war?
Wie sahen vorher die Instrumente aus, wenn man sie wahlweise in stark voneinander abweichenden Grundstimmungen angeboten hat?
Wie hat man wirklich in der Orchester- und Instrumentenbaupraxis reagiert. Umgebaute und dennoch nicht mehr gut stimmende Instrumente sind durchaus bekannt. Ich gebe aber nur zu bedenken, dass 1939 der Krieg begann und man dann wohl andere Sorgen gehabt haben dürfte als den Stimmton.
Immerhin wurde die hier im Forum besprochene Stimmtonvielfalt in eine gewisse Einheitlichkeit gebracht.
Im Gegensatz zur Steuer, zu Abgaswerten etc. ist der einheitliche Stimmton ja über jede amtliche Handhabung erhaben. Denn so richtig hält sich keiner an die "Konvention 440 Hz" - Hauptsache, es stimmt einigermaßen und der Finanzminister ahndet die Abweichungen von der Festlegung nicht cent für cent.

Viele Grüße
E. Weller

intune
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Re: Fritz Schüller (1883-1977)

Beitrag von intune »

klasse beitrag - danke

hier noch etwas zum reinlesen:

hier die normung 440 über das internet (stimmt toll)
http://www.kammerton.de/index1.html

und etwas hintergrundwissen dazu , kann ja nie schaden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kammerton

auch mit stimmtönen!!!

weiter, mit stimmumfang
http://dic.academic.ru/dic.nsf/ger_enc/53216/Frequenz
und noch etwas über ganz früher
http://www.uni-hamburg.de/Wiss/FB/09/Mu ... /805/8_Mar tens_Handout_Absolutes_Gehoer.pdf

an alle sammler- intune

dudeldim
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Registriert: So 14. Dez 2008, 16:55

Re: Fritz Schüller (1883-1977)

Beitrag von dudeldim »

@ Hans aus Holland
Sie berichten von der Schüller Preisliste 21. Besitzen Sie diese? Wäre es möglich, eine Kopie davon zu bekommen?
@ Beroge
"aus einem alten vogtländischen Holzblasinstrumenten-Katalog": Besitzen sie diesen Katalog? Wäre es möglich auch hiervon eine Kopie zu erhalten?
Ich besitze übrigens eine Piccolo-Flöte von Fritz Schüller, Meisterwerkstätte für Holzblasinstrumente Markneukirchen/Sa. Sie trägt die Ser.Nr. 7639 Dies würde in das Seriennummern-System von Schüller passen, obwohl das Piccolo von einem anderen Hersteller stammt?

Hans aus Holland
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Re: Fritz Schüller (1883-1977)

Beitrag von Hans aus Holland »

Anbei noch eine (späte) Zufügung dieser Folge von E-mails betriffs Meister Fritz Schüller. Ich habe die erste Seite seiner Preisliste 21 hochgeladen weil das Bild meiner Meinung nach sehr interessant ist. Neben Meister Schüller in seinem Werkstatt ist seinen Leierkasten zu sehen womit die Instrumenten abgestimmt werden und im Hintergrund ist auch u.a. seine patentierte Viertelton Klarinette zu sehen, ein Unikat heute zu Tage im Musikinstrumentenmuseum Markneukirchen zu bewundern.
mfg

Hans aus Holland

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