Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Moderator: Heidrun Eichler

Gabi
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Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von Gabi »

Hallo

ich hab da mal eine, glaub ich, ziemlich komplizierte Frage.... ;-)
...und weiß gar nicht so richtig, wie ich anfangen soll....

Mir ist aufgefallen, daß viele alte bekannte Namen von Instrumentenbauern heute verschwunden sind. (Ich kann mich da jetzt nur auf die Blockflötenherstellung beziehen. Bei den anderen Instrumenten habe ich keinen Überblick.)

Nur mal als Beispiel:
Mein Lieblingsthema Johannes Adler und Alexander Heinrich.
Ok....da kennt man ja die Entwicklung und das Ende :cray:
Aber was war mit diesen beiden Firmen, nachdem sie verstaatlicht wurden?
Johannes Adler ist 1963 verstorben. Die Lebensdaten von Alexander Heinrich kenne ich nicht.
Wer war nach dem Tod der Firmenchef? Denn sowas wird es ja auch bei verstaatlichen Firmen gegeben haben.
Gab es da noch einen Herr Adler und einen Herr Heinrich?

ein nächstes Beispiel, was mir spontan einfällt...
Die Familie Uebel! waren ja mehr mit Klarinetten beschäftigt....
Die waren ja in mehreren Firmen drin....Herwiga, Herrnsdorf...
Was ist aus der Fam. Uebel geworden?
Gibts da noch Firmen mit Uebel-Chefs?

Hueller:
Da wurden noch bis in den 1980er Jahren Instrumente gebaut.
Und dann?
Firma geschlossen? Keine Nachfolger/Erben?


Ich glaube, ich höre jetzt erstmal auf.
Wenn ich noch länger nachdenke, fallen mir bestimmt noch ganz viele andere ein :shok:

Morgengrüße aus dem Ruhrpott
:wink: Gabi
Manchmal, wenn ich Ruhe brauche, setze ich mich in meine Bonboniere und ein Gummibärchen hält mir die Hand.

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Heidrun Eichler
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Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von Heidrun Eichler »

Liebe Gabi,

Johannes Adler hatte m.W. keine Kinder, seine Nichte, Frau Roth und der Neffe Gottfried Meinert sind sozusagen die nächsten Nochfolge-Verwandten. Die Werkstatt Meinert findest Du auf unsere Internetseite bei den Holzblasinstrumentenbauern. Jetziger Inhaber ist Frank Meinert, sein Vater Gottfried arbeitet in der Werkstatt mit.
Alexander Heinrichs Sohn heißt genauso und ist Fagottansetzer bei Mönnig-Adler-Holzblasinstrumenten GmbH. Er ist Anfang 50, ein sehr guter Instrumentenbauer.
Uebel gab es ja mehrere. Da sind welche schon zu DDR-Zeit in den Westen übergesiedelt bzw. haben eine andere Berufswahl getroffen. Da die privaten Betriebe nicht privat bleiben durften bzw. die Kinder keinen Gewerbeschein bekamen, haben sie sehr oft studiert und sind dann zwangsläufig weggezogen. Enrico Weller weiß da sicher mehr. Es gibt heute keine Nachkommen-Chefs in den mittelständischen Betrieben, bei den kleinen Handwerksbetrieben, die auch meistens der MIGMA angehören, ist das anders.

Interessantes Thema.

Schönen Abend
Heidrun

Gabi
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Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von Gabi »

Es ist eigentlich unvorstellbar, daß so erfolgreiche...und bestimmt nicht kleine....Firmen vom Erdboden verschwunden sind!
was ist mit den vielen Werkstätten, Firmen, Fabriken geschehen?

Noch eine Frage zu Migma:
Die Instrumentenbauer, die zu Migma gehören, dürfen die denn ihre Instrumente mit ihrem eigenen Namen kennzeichnen?
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Heidrun Eichler
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Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von Heidrun Eichler »

MIGMA-Mitglieder haben mit ihrem Namen gezeichnet, mitunter gibt es auch Instrumente, in denen MIGMA steht.
*************

Jetzt geht es um die Sinfonia, bitte nicht mit der Migma verwechseln!
Man hat in den vielen kleinen Werkstätten weitergearbeitet, so wie vorher, in der Regel waren die vorherigen Besitzer auch die Abteilungsleiter. Wenn sie aber in Rente gingen, dann wurde nicht automatisch der Sohn der Chef der Abteilung, sondern der, der die Qualifikation und/oder das richtige Parteibuch hatte. Ich glaube, ich hatte das hier schon mal irgendwo geschrieben. Wer mehr als 10 Beschäftigte hatte, wurde in die PGH Sinfonia gedrängt. Natürlich haben sich die Besitzer gewehrt, aber im Endeffekt blieb ihnen nichts anderes übrig. (Ich weiß jetzt kein Beispiel, was passierte, wenn sie nicht mitmachten??, aber wahrscheinlich hätte man sie am langen Arm verhungern lassen).
Es gabe eine Abfindung für Materialvorräte. Diese wurden eingeschätzt, natürlich niedrig und man bekam das Geld auch nicht auf einmal, sondern über Jahre verteilt, und viel konnte man mit dem Geld ja sowieso nicht anfangen. Offiziell war es nicht möglich, selbst zu verkaufen, man hatte zwar noch den Kundenkontakt (nicht in den Westen), aber abgerechnet wurde über die PGH bzw. den VEB. Die Handwerker waren - wie auch schon früher - direkt vom Händler, zu sozialistischen Zeiten eben vom Staat in Form von Betriebsleiter und Parteisekretär, abhängig.

Bitte korrigiert mich, wenn ich mich missverständlich ausgedrückt habe!

Heidrun

Gabi
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Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von Gabi »

...und dann ließ man die großen Namen so nach und nach sterben.....?

Wie war das denn mit dem Export?
Soviel Musik konnte in der DDR doch gar nicht gemacht werden, daß man alle seine gebauten Instrumente im Osten los wurde....nicht nur Flöten, sondern auch alles andere.
Ich sehe eure Gegend immer noch so als Hochburg des Instrumentenbau in Deutschland....vor der DDR-Zeit. Sicher gab es auch im Westen Instrumentenbauer; aber doch eher vereinzelt.
Verschwanden da nicht plötzlich Qualitäts-Marken vom Welt(?)-Markt?
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Heidrun Eichler
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Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von Heidrun Eichler »

Ich versuch mal eine Antwort.:
Das Know How ist sicher geblieben, die Zahl der Hersteller ist nach dem Krieg gesunken, aber nicht so drastisch wie nach 1989. Zur Hochzeit im 19.Jh. haben die Instrumentenbauer in ihren eigenen Werkstätten zu Hause gearbeitet. Man spricht ja auch von der Hausindustrie. Nach 1945 sind in den Betrieben, die z.T. enteignet wurden oder sich aus mehreren Treuhandbetrieben zusammensetzten, die Mitarbeiterzahlen immer weiter gestiegen. Die Leute gingen dann eben in die Fabrik, manche waren auch noch in Heimarbeit für die Betriebe tätig.
Der Export hat ja schon immer eine große Rolle gespielt, ohne ihn und die Händler, die in dieser Hinsicht auch sehr risikobereit waren, wäre Markneukirchen nie so bedeutend im Orchesterinstrumentenbau geworden, denn wir liegen ja nun weitab von den großen Musikzentren. Zu DDR-Zeit war es allerdings so, dass die Instrumente als Devisenbringer in den Westen (wenn sie nicht gut genug waren, dann in den Osten, RGW-Gebiet) exportiert wurden und man nicht mal als Einheimischer etwas kaufen konnte. Mit den Jahren wurde es immer schwieriger. Wenn man Glück hatte, bekam man mal eine Musima-Gitarre, die einen Lackfehler hatte, aber eine Querflöte gab es nur über eine Art Bezugssschein, den man von der Musikhochschule bekam, wenn man studierte :cray: Die Instrumente wurden oft verschleudert (das war auch mit anderen Gütern so,), wegen ein paar Westmark. Die Hersteller bekamen übrigens kein Westgeld dafür. Der Handel wurde über die DEMUSA, das Außenhandelsunternehmen, das seinen Sitz in Klingenthal hatte, abgewickelt. Die Vertreter dieser Einrichtung fuhren dann auch zur Frankfurter Messe, sie waren sogenannte (West)Reisekader, d.h. sie musste politisch 100% sein, durften "offiziell" keine Westverwandtschaft bzw. eben keinerlei Kontakt zu Westleuten haben und und und ..... :bad:

Gabi
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Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von Gabi »

Hm....dann ist es also genau umgekehrt wie ich gedacht habe.....
Die Instrumente gingen in den Export...und fürs Inland blieb nichts.
Die Menschen in der DDR haben also auf ihren Vorkriegs-Modellen musiziert.....wenn sie nicht das seltene Glück hatten, sonstwie an ein Neu-Instrument zu kommen.

Und da geht bei mir wieder die Logik flöten...
Wenn die obersten Herren auf Devisen (= Gewinne) aus waren, hätten sie sich doch erst recht bemühen müssen, die bekannten, alten Betriebe mit ihren guten Namen zu erhalten.
Das hätte doch noch viel mehr gebracht!


Noch mal eine Frage zu Migma:
Migma gab es ja schon vor der DDR-Zeit...dann während.....und gibts ja heute auch noch.
Die Betriebe, die zu Migma gehörten, gehörten die trotzdem zu irgendeinem VEB?
Oder reichte es aus, wenn man "Migma"-Firma war?
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Mario Schmalfuß

Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von Mario Schmalfuß »

Naja, die (Marken-)Namen gingen ja auch nicht unbedingt flöten. Als die erwähnte PGH Sinfonia aufgelöst wurde ging ein Teil an den VEB Musima und ein weiterer Teil an den VEB Blechblas. Zumindest von der Blechblas weis ich das dort dann auch Instrumente unter den mit übernommenen Marken produziert wurden. Wobei die dann nicht unbedingt aus den entsprechenden Werkstätten stammten, sondern auch in anderen Betriebsteilen gefertigt wurden. Unter welchen Namen Instrumente vermarktet wurden richtete sich wohl nach der Qualität und vor allem wohin sie geliefert werden sollten.

Die Migma war meines Wissens immer Genossenschaft, gehörte also zu keinem VEB.

Gabi
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Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von Gabi »

Unter welchen Namen Instrumente vermarktet wurden richtete sich wohl nach der Qualität und vor allem wohin sie geliefert werden sollten.
??????????
bitte bitte erklären :blush:
Manchmal, wenn ich Ruhe brauche, setze ich mich in meine Bonboniere und ein Gummibärchen hält mir die Hand.

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MGW51

Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von MGW51 »

Gabi hat geschrieben:Hm....dann ist es also genau umgekehrt wie ich gedacht habe.....
Die Instrumente gingen in den Export...und fürs Inland blieb nichts.
Hallo Gabi,
ich nehme einfach mal die Gelegenheit wahr und beginnen meinen hiesigen Forumseinstieg mit der Beantwortung Deiner Frage(n).

Grundsätzlich ist es so wie Du schreibst und wie es weiter vorne von Heidrun schon ausgeführt wurde. Aus der DDR wurde exportiert was nur irgendwie auszuführen ging; mit dem transferrablen Rubel (Buchwährung innerhalb des RGW) alleine waren die Bedürfnisse nicht annähernd zu befriedigen, ohne Devisen (alle frei konvertierbaren Währungen) ging nichts. Zum Glück hatten unsere Werktätigen auch mal einen schlechten Tag und da mißlang dann mal was, kein Ausschuß, nur halt mit +/- kleinen Fehlern behaftet, die die betreffende Ware aber vom NSW-Export (Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet) disqualifizierte. Das war schlimm, denn damit entgingen Einnahmen, mit denen bestimmte Rohstoffe aber auch Kaffee und Südfrüchte bezahlt werden mußten. Es war aber noch nichts verloren. Wenn die Qualitätsmängel nur sehr geringfügig waren, konnte der Artikel noch immer in eines der "Bruderländer" ausgeführt werden; mit Devisen war es da allerdings Essig. Nur bei größeren, vor allem sichtbaren Fehlern, bekam das Teil dann den virtuellen Stempel "Bevölkerungsbedarf" verpaßt und landete in einem Einzelhandelsgeschäft. Mit vielen Waren verhielt es sich in der DDR ziemlich bio-logisch: Mit steigendem Lebensalter der Republik "fielen" die Waren einfach aus; die Auslagen in den Schaufenstern der Musikalienhandlungen schrumpften im gleichen Maße, wie die Zahl der Musikalienhandlungen selbst; simple Dinge mutierten zur "Bückware"...
Gabi hat geschrieben:.....wenn sie nicht das seltene Glück hatten, sonstwie an ein Neu-Instrument zu kommen.
Nun, wie schon gesagt, ein bissel was blieb ja auch hier ;-)

Nun hatte der gelernte DDR-Bürger nicht unbedingt den falschen Ehrgeiz zuerst ein Sax teuer zu erwerben um dann mal zu schauen wo es Noten gibt ;-) Der musisch veranlagte konnte den Sparstrumpf unberührt unter´m Sofa lassen - ein Instrument (und nichtmal das schlechteste!) bekam er auch völlig umsonst. Musizierfreudige Menschen finden und fanden sich zu allen Zeiten zusammen, so auch in der DDR wo es an nahezu jedem Kulturhaus wenigstens eine Instrumentalgruppe gab. Unter professioneller Anleitung wurde das "Musikmachen" selbst dem blutigsten Anfänger beigebracht. Fielen die Lektionen auf fruchtbaren Boden, dann entwickelte sich der Eleve bald zu einem festen Orchestermitglied bei dem dann ggfs. der Wunsch aufkam, diese Passion zur Perfektion zu bringen - dazu sollte und mußte dann schon ein eigenes Instrument her. Ein "Bezugsschein" war theoretisch nicht erforderlich, in der Praxis jedoch unumgänglich um die Wartezeit auf ein erträgliches Maß zu verkürzen. Der Aspirant hatte somit genug Zeit für die Ansparphase - es wurde ja bar bezahlt, Kredit war nicht!

Andererseits, in Fällen wo die anfängliche Begeisterung in absoluter Divergenz zu den Minimalvoraussetzungen stand, konnte sich der nun so Ernüchterte unbeschadet verabschieden und ein anderes Steckenpferd aufschirren. Kosten entstanden auf dieser Stufe niemandem; die brachte das Kulturhaus auf. Keine Bindefristen mit Vorauszahlung teils horrender Beiträge wie das heutzutage, da alles und jedes privatwirtschaftlich betrieben wird Gang und Gäbe ist. Naja, Kultur ist in diesem Staatsgebilde seit langem auf der Roten Liste.

Das war in der DDR gaaaanz anders! Da gab es den Slogan "Die Kunst gehört dem Volke!"

Deswegen befleißigte sich auch der staatliche Lebensmittelhandel mit der Bereitstellung von Kunsthonig. Wer nun glaubt, dies sei eine DDR-Erfindung, der irrt! Das Zeug gab es lange bevor überhaupt jemand ahnen konnte, daß es irgendwann mal eine DDR geben könnte und natürlich hat der Kunsthonig als solcher auch die DDR überlebt, nur die Bezeichnung ist wohl aus dem Sprachgebrauch verdrängt worden. :-)

Und doch, dieser Slogan ist nicht nur eine leere Worthülse gewesen, er wurde aktiv durchgesetzt. Konzertanrecht ca. 3 Mark monatlich, Theateranrecht ca. 3 Mark monatlich, Kinokarte ca. 1,50 Mark, Museum-, Galerie-, ZOO-Eintrittskarte ca. 1 Mark - Kinder und Rentner zahlten die Hälfte. Aber bitte auch dabei bedenken, daß die Netto-Löhne bei ca. 750 Mark lagen!

Das soll keine "Aufrechnung" sein, nur ein paar Hintergrundinformationen liefern, die dem gebürtigen "Westelbier" nicht zwangsläufig vertraut und die inzwischen selbst hierzulanden nur solch alten Säcken wie mir noch erinnerlich sind. :mrgreen:


Also Gabi, ich hoffe doch Dir ein paar Erklärungen geliefert zu haben, die man allenthalben so bald vergessen haben wird.
Doch um das aufzuschreíben bin ich nicht in das Forum hier gekommen - mich treibt selbst die Neugier und die Suche nach Antworten. In dem Falle primär nicht nach meiner Meinel & Herold sondern nach meinem Weltklang-Koffergerät.

NorbertE
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Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von NorbertE »

Es ist immer wieder lustig und intressant, in alten Erinnerungen zu graben oder darüber zu lesen.

Was Michael schrieb, stimmt prinzipiell. Besonders das mit der Kultur. "Volkskunstkollektive" wurden gefördert, erhielten Instrumente und Ausstattung. Musikschule war Peanutsbeiträge im Monat. Natürlich mussten diese Volkskunstkollektive dann auch zu der einen oder anderen Parteisache ihr Können zeigen.

Zu den Instrumenten: Es gab in den Musikläden sehr wohl Instrumente. Nicht immer und nicht Alles und nicht unbedingt die beste Qualität. Mangelwirtschaft halt. Ich habe z.B. gelegentlich in Klingenthal 10 Satz Monotex-Gitarrensaiten bestellt (EVP 9,05 Mark) und regelmässig 2 Satz bekommen. :rolleyes:
Als ambitionierter Musiker kam man aber auch mal an einen "Westkatalog" oder sah im Fernsehn mal die Disco oder sonst was. Da komischerweise die DDR-Massenprodukte von den DDR-Bürgern garnicht so begehrt waren, wollte man "was aus dem Westen". Ich erinnere mich da z.B. an die Verstärkerserie "Regent"...keiner wollte drüber spielen und wenn man einen auf der Bühne hatte, wurde man eigentlich belächelt, obwohl sie nicht schlecht waren.
Also musste was aus dem Westen her und jeder hatte da so seine Träume. Das ging über zwei Schienen: zum Einen gab es (nicht nur für Instrumente) einen recht gut florierenden Schwarzmarkt und zum Anderen wurde Westmark getauscht und mit Vitamin B das Teil von jemand mitgebracht.
Schwarzmarkt funktionierte so, dass z.B. Musiker, die Westauftritte haben durften (oder auch Beziehungen dorthin) Equipment mitbrachten und es in der DDR verscherbelten. Ende der 80iger Jahre betrug der Kurs DM-DDRmark 1:10!!!
D.h. also z.B. in meinem Falle mussten es unbedingt Fender Rock`nRoll Light-Gitarrensaiten sein. Der Satz kam in Westberlin (wohin meine Mutter als Rentnerin hindurfte) 9.80 DM. Das waren 100 Ost, ein Zehntel eines Monatsverdienstes und dann hielt der Satz gerade mal zwei Auftritte. Egal, man spielte Fendersaiten und war damit wer. :lol:
Bei Instrumenten oder Equipment war es durch den Wechselkurs ungleich kostspieliger, das kann man leicht ausrechnen.
Als die Wende kam, mussten ja alle beweglichen DDR-Dinge erst mal weg, seien es Autos, Motorräder, Küchenmaschinen und dergleichen gewesen, um Platz zu schaffen, für "Neues".
Das das vielfach noch größerer Mist war, haben wir Ossies erst später begriffen und kaufen nun aus lauter (N)ostalgie bestimmte Dinge wieder zurück. :lol:

Wie immer bestimmen auch hier Ausnahmen die Regel.

MGW51

Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von MGW51 »

Norbert hat geschrieben:Als die Wende kam, mussten ja alle beweglichen DDR-Dinge erst mal weg, seien es Autos, Motorräder, Küchenmaschinen und dergleichen gewesen, um Platz zu schaffen, für "Neues".
Das das vielfach noch größerer Mist war, haben wir Ossies erst später begriffen und kaufen nun aus lauter (N)ostalgie bestimmte Dinge wieder zurück. :lol:
Ja Norbert, da ist was dran. Wobei das nicht immer als reine Nostalgie abgetan werden kann.
Bei Instrumenten kann ich diesbezüglich keine Aussage treffen, bei der sogenannten Heimelektronik schaut das schon anders aus. Dort ist es nicht pure Nostalgie sondern vielfach der allenthalben heutzutage als "HiFi-Anlage" angebotene Schrott, welcher es nicht wert ist ausgepackt zuwerden. Da besinnt man sich doch wieder, daß man vor nicht allzulanger Zeit - freilich für viel Geld erworben! - eine Stereoanlage Made in GDR besaß, die es mit den heutigen genialen Brüllwürfeln die man als 400 Watt HiFi-Raumklangwunder oder unter ähnlich skurrilen Bezeichnungen offeriert locker aufnimmt. Nicht nur in der Schalleistung, da sind ehrliche 2x20 Watt Sinus Dauerleistung dem Geilmarktschrott haushoch überlegen, auch in der Empfangsqualität tun sich Abgründe auf!

Die sogenannten modernen Produkte werde nur mit dem Ziel entwickelt, eine optimierte Halbwertszeit zu haben, die nicht wesentlich die gesetzlich vorgeschriebenen Garantiezeit überschreitet - schon viel, wenn sie diese überhaupt erreicht! Und wenn der Fall eintritt, bleibt zumeist nur die Feststellung, daß eine Reparatur nicht durchführbar ist, also Müll.

Das andere Extrem, die totale "Reparaturwütigkeit" kennt der gelernte DDR-Bürger auch zur Genüge. Besonders wer mal einen Trabi hatte und dafür einen Austauschmotor von der Werkstatt angeboten bekam weil das erste Triebwerk nach ca. 120 Tsd.Km breit war, wird ein Lied davon singen können sofern er sich auf diesen Handel eingelassen hatte. Der "neue" Motor (war u.U. bereits schon zehnmal generalüberholt) schaffte ggfs. ca. 40 Tsd. km, wer ein absoluter Glückspilz war, durfte nach nichtmal 10 tsd. km erneut die Werkstatt aufsuchen. Der bekam dann Ersatz weil noch Garantie! Und anders als heutzutage üblich, begann mit dem neu eingebauten Teil - auch wenn es ein rep. Altteil war - die Garantie wieder von vorn zu laufen! Deswegen ist das mit dem Glückspilz nicht sarkastisch gemeint.
Die Instandsetzung von Gebrauchs- und Wirtschaftsgütern hatte in der DDR einen für Westelbier unvorstellbar hohen Stellenwert und wurde zunehmend industriemäßig betrieben.
KFZ-Baugruppen und Teile wie Motore, Ausgleichs-, Schalt- und Lenkgetriebe, Achsen, Spurstangen, Federn, Kupplungsscheiben und Backen von Trommelbremsen, Tachometer, Kapillarthermometer, Anlasser, Lichtmaschinen u.a.m. wurden z.T. in großen zentralen Industriebetrieben regeneriert oder als Einzelaufträge von kleinen Handwerksbetrieben instandgesetzt. Auch Baugruppen von Fernsehgeräten und natürlich auch defekte Bildröhren wurden über den Weg einer zentralen Instandsetzung in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt. Die Reparaturwerkstätten hatten z.B. ein Kontingent an defekten Bildröhren abzuliefern um "neue" Bildröhren zu bekommen. Neu war an denen lediglich das System. Der Schirm konnte bei Einbrennfehlern natürlich nicht repariert werden und wurde, ebenso bei Kratzern oder Blasen im Kolbenglas dann eben geschrottet.

Rein ökonomisch betrachtet machte das freilich zum Großteil keinen Sinn. Es war dessen ungeachtet aber eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, so zu verfahren und es sei nicht verschwiegen, daß es durchaus auch gute Erträge zu erwirtschaften gab, z.B. bei der Bildröhrenaufarbeitung denn bei diesen Teilen ist das weitaus teuerste der Glaskörper! Das Strahlsystem ist dagegen sehr billig zu fertigen. Bei Steckmodulen der TV-Geräte sah es ökonomisch ebenso positiv aus. Durch die zentrale Instandsetzung konnten spezielle Meß- und Reparaturplätze geschaffen werden, welche eine zielführende Diagnose sicherten und damit in kürzester Zeit bei geringstem Materialeinsatz die Baugruppen als geheilt in den Kreislauf zurückgeführt werden konnten. Es wurde nach RLP abgerechnet, d.h. der Kundendienstmonteur hatte eine feststehende Summe vom Kunden abzufordern, deren Höhe von vornherein feststand und die so bemessen war, daß sie problemlos aufgebracht werden konnte. Auf das "Neuteil" gab es dann auch wieder Garantie.
So einem Geschäftsmodell konnte kein Handwerksbetrieb wirtschaftlich widerstehen, weshalb sich auch niemand sträubte, darin integriert zu werden. Bagatellreparaturen wurden ebenso wie Reparaturen an nicht tauschpflichtigen Baugruppen / Geräten selbstverständlich nach wie vor konventionell erledigt und +/- fair abgerechnet.

Was bei Elektronik noch recht leicht machbar ist, kann bei Mechanik aber nicht genauso funktionieren! Neue Einzelteile in ein durch Alterungsprozesse hinfällig gewordenes Gehäuse einzubauen ist eben nicht so der Bringer. Da muß man sich nicht wundern, wenn es zu Ermüdungsbrüchen kommt - die Mikrorisse waren ja schon lange da, auch wenn man sie nicht mit bloßem Auge sehen konnte.

Uns so torkeln wir von einem Extrem in das andere und man stellt sich die Frage, ob es so schwer ist, einen vernünftigen Mittelweg zu finden?
Hersteller per Gesetz zu zwingen, ihre eigenen Produkte nach der Nutzungszeit wieder zurückzunehmen um sie stofflich zu verwerten, kann m.E. nicht die Lösung sein denn die Zeche zahlt der Kunde doppelt und dreifach!


Ein Kapitel DDR-Geschichte ist auch noch erwähnenswert: Die Behelfsverpackung! :yahoo:
Das ist eigentlich etwas, was man mit Worten nicht annähernd darstellen kann; man muß es mit eigenen Augen gesehen haben! Leider verfüge ich über keine derartigen Artefakte. Da kommen einem die Tränen, wenn man das sieht :shok:

Ostalgie, damit verbinde ich persönlich ein Lebensgefühl, welches durch die zwangsweise Entsolidarisierung der Bevölkerung zunehmend verloren geht. Das hat primär nichts mit Mangelwirtschaft, fehlender Reisefreiheit, stinkenden Trabis u.dgl. zu tun. Insofern ist der familienübergreifende Zusammenhalt hier im ländlichen Raum noch bedeutend ausgeprägter als in den urbanisierten Ballungsgebieten und das ist gut so.

Ostalgie ist freilich auch eine +/- gut vermarktbare Geschäftsidee; mit der erlebten Wirklichkeit hat diese Ostalgie aber garnichts zu tun.

Gabi
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Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von Gabi »

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Ein Kapitel DDR-Geschichte ist auch noch erwähnenswert: Die Behelfsverpackung!  
Das ist eigentlich etwas, was man mit Worten nicht annähernd darstellen kann; man muß es mit eigenen Augen gesehen haben! 

neneneeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee
Das könnt ihr nicht machen!!!!!!!! :shok:

Erst erzählt ihr so spannend, macht ihr mich neugierig.....und dann darf ich nicht gucken....

Was war das denn nu für eine Behelfsverpackung????? ;-)
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Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von Gabi »

was ich immer noch nicht so ganz verstehe, woher diese "Mangelwirtschaft" kam.

Es gab doch auch in der DDR Fabriken, Produktionen usw., wo es doch bestimmt auch eine Weiterentwicklung. Und auch wenn die DDR abgeschottet war von dem "Wirtschaftswunder West", so müsste es doch auch im Osten irgendwie weitergegangen sein.....
Ist aber nicht wirklich.....und das verstehe ich nicht.
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Re: Instrumentenbauer vor und nach der Wende

Beitrag von Heidrun Eichler »

Liebe Gabi,

wann kommst Du denn nun endlich mal zu uns???? :nea:
Wie soll man solche Fragen im Forum beantworten? Das sind Dissertationen, die man darüber schreiben könnte.
Im Endeffekt ist die DDR ja zusammengebrochen, eben auch aus solchen Abschottungs-Gründen.

Behelfsverpackung? Wenn man Quark kaufen wollte, dann gab es den lose und wenn man keinen Behälter (z.B. Becher) mithatte, dann wurde der in so dünnes Papier eingepackt, denn Plastetüten gab es ja auch nicht. War in mancher Hinsicht viel umweltfreundlicher. Die Milch holte man in Milchkannen, später in Mehrwegflaschen. Es gab fast nur Mehrwegflaschen, aber die mussten nach der Wende abgeschafft werden, um sie jetzt wieder einzuführen. Es gab halt meistens Papiertüten ohne großen Aufdruck oder immer mit dem gleichen :"Meine Mutti kauft im Konsum".
Wenn man aus dem Westen mal einen Plastebeutel bekam, dann wurde der wie ein "Heiligtum" behandelt. Jetzt gibt es ja mittlerweile die Stoffbeutel. Die hatten wir ja immer, aber schön bunt und aus Nylon (besser: Dederon). :rolleyes:

Bis bald mal im :v:
Heidrun

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