Die Sammlung der Streichinstrumente

1. Seite der Innungsurkunde der in Markneukirchen 1677 gegründeten Geigenmacherinnung

Eine zeitgemäße Kollektion verlangt von den Instrumenten nicht allein instrumentenkundliche Aussagen und damit musikwissenschaftliche Dokumentation. Sie soll außerdem Zeugnis ablegen zu ihrer einstigen oder jetzigen Umwelt als historische Bauweise und Musterbild.

Eine italienische Geige ist in der Sammlung bis jetzt noch nicht vorhanden. Zeugen der Vergangenheit und Gegenwart sollten nicht nur Spitzenqualität repräsentieren.
Einfache Volksinstrumente gehören genauso in die Reihe. So ist eine einfache, nach europäischem Vorbild geschaffene Geige aus Guatemala ausgestellt, Ravel genannt, Inr. 0569 (in der außereuropäischen Abteilung). Ins Auge springend sind die nahe beieinander liegenden Schallöcher in f-Form. Im Februar 1888 kam das Instrument als Regierungsgeschenk in die Sammlung. In den norwegischen Bezirken Hardangen und Telemark sind “Felemaker” seit dem 17. Jahrhundert an der Arbeit. Sie beschäftigen sich mit der Hardangerfele bzw. -fiedel.
Als wahres Volksinstrument - mit mehr oder weniger künstlerischer Begabung hergestellt - lässt es das Violinvorbild erkennen, auffällig die vier zusätzlichen Resonanzsaiten ähnlich der uns jahrhundertelang als Viola d´amore bekannten Bauart.
Die Inr. 0954 stammt aus dem 19. Jahrhundert und trägt einen Frauenkopf. Asmund E. Sandland schuf 1921 in Brunkeberg die unter Inr. 3503 ausgestellte Hardangerfele mit einem sog. Drachenkopf mit goldener Krone, der nach anderer Auffassung der Kopf eines Trolls, eines Bergkobolds, sein soll. Das Instrument ist mit dem Zettel des Erbauers signiert.
Eine vom Modell einer Violine abstechende Bauart stellt die sog. russische Violine in Gitarrenform dar, Inr. 1093. Im Katalog 1908 ist sie daneben als Moskowit bezeichnet. Die Schallöcher sind als eigenartige ff geschnitten. Die Zargen sind nach außen gewölbt. Die Schnecke ist wulstig gestaltet. Ältere Geigenmacher in Klingenthal und Markneukirchen behaupten, solche Violinen seien nie in Russland gebaut worden. Ihre Provenienz sei unklar. Sie seien allerdings von Moskauer Handelshäusern angeboten worden. Auch in Katalogen Markneukirchner Firmen bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts sind derartige Violinen gelegentlich aufzutreffen.
Als in den 1970er Jahren infolge strenger Kalkulationsvorschriften und hoher Arbeitsnormen weder private Handwerker noch Fabriken im Vogtland Viertel-, halbe und Dreiviertelviolinen ohne Verlustrechnung mehr herstellen konnten, mussten sich Musikinstrumentenhändler in aller Welt nach neuen Bezugsquellen umsehen. China sprang ein. Es wurden dort einfache Instrumente dieser Kategorien in gewohnt schnellem Rhythmus gefertigt und zu billigsten Preisen geliefert.

Geigenbauerwerkstatt um 1900 im Museum

Die vogtländische Violine – dazu ausgewählte Instrumente
Was zeichnet die vogtländische Violine aus? Oder anders gefragt: Was ist typisch vogtländisch?
Ein Schema zu nennen ist ausgeschlossen. Von Anfang an, seit Mitte des 17. Jahrhunderts, gaben die namentlich bekannten Familien ihren eigenen Schulen ihr spezielles Gepräge. Sie bauten nicht “über Form”, sondern schachtelten frei auf.
Auf dieser Erkenntnis fußend stellte Christine Kröhner in ihrer Diplomarbeit “Vogtländische Geigen von den Anfängen bis etwa 1850. Untersuchungen zu ihrer Originalgestalt.”, Universität Leipzig 1981, u. a. am Korpus der meisten Vogtländer eine Seitengleiche fest. Eine etwas oder stärker ausgezogene flache Oberbügelform ist schon nicht mehr als allgemeingültig zu betrachten. Die Vielfalt der vogtländischen Modelle ist auffällig. Zu den rein äußerlich erkennbaren Merkmalen der einzelnen Regelteile kommen die nicht ohne weiteres sichtbaren im Inneren der Violine.
Bautechnische Kennzeichen, wie eingeschobene Oberzargen im Oberklotz oder Halsbefestigungen und -lagerungen haben ebenso wenig ihren Gemeinplatz.Die Eigentümlichkeiten in der Gestaltung -  beispielsweise der Schnecke - sind bei den verschiedenen familiären Schulen unterschiedlich. Hinsichtlich der Wölbung gibt es flache und höhere Typen, etwa nach Jacob Stainer gehend. Vollkommen rundumlaufende Hohlkehlen zeichnen diese Modelle aus. Selbst die im oberen Drittel als Mulde gestalteten Seitenpartien des Wirbelkastens bleiben auf einzelne Familienschulen beschränkt.
Oftmals besteht eine deutliche Demarkationslinie zwischen den glatten unteren zwei Dritteln der äußeren Seitenwand und der soeben genannten Mulde. Die Schneckenformen sind mannigfaltig und selbst bei ein und demselben Geigenmacher verschieden ausgefallen.
Eine oft erwähnte, sog. gedrückte oder gequetschte Form der Schnecke, also keine gleichmäßige Rundung, kann nicht als gemein vogtländisch angesprochen werden. Gerade die Schnecken sind individuell geformt. Auch Größe und Position sind unterschiedlich. Breite Ohren – schmale Ohren, ausgeprägter Mittelgrad: Alles kommt vor.  Schwach gekehlt - tiefer ausgestochen: Das sind ebenfalls individuelle Merkmale und keinesfalls fürs Vogtland generell gültige Normen. Was man vogtländischen Schnecken nachsagt, sind nach vorn unten nicht tief genug gekehlte, zeitig aufhörende Rinnen über dem eigentlichen Wirbelkasten. Aber dieses Merkmal besitzen andere Geigenbauschulen ebenso. Einfaches vogtländisches Ahornholz, kein Riegelahorn, und einheimische oder aus dem Böhmerwald stammende, engjährige Fichtendecken sind die meist verwendeten Materialien.
Es gibt jedoch auch unregelmäßig eng geflammten Ahorn aus obervogtländischen Höhenlagen bis etwa 940 m NN (Kielberg 942 m, Aschberg 936 m). Hälse und Griffbretter aus wilden Obstbaumgehölzen, die Griffbretter furniert und/oder dunkel gebeizt, kommen vor. Als Standardausführungen können sie nicht gewertet werden. Dasselbe gilt von Drahtaufhängungen der Seitenhalter und deren Formen, wie das an alten Instrumenten gelegentlich zu beobachten ist.
Der Lack hat gelbe, goldgelbe oder in allen Nuancen vorkommende braune bis schwarzbraune Farbe und ist oftmals gar nicht so steif und spröde, wie er immer hingestellt wird. Schwarzbrauner Lack mit Drachenblutharzbeigaben feuert in der Abendsonne dunkelrot. Direkte hellrote Farbe kennt der Vogtländer nicht. Klangvorstellungen entsprachen dem jeweiligen Zeitgeschmack. Steilgewölbte Violinen mit schmaler Brust geben im allgemeinen näselnde Töne, oft als Flötentöne bezeichnet. Breitere Modelle in flacher Bauweise klingen weich und zärtlich.

Als allgemeingültig wird diese Aussage nicht standhalten, wenn nämlich eine Geige etwas anderes lehrt. Bei den vogtländischen Violinen sind Klangbreite und -wirkung oft für Überraschungen gut. Die folgenden Violinen wurden als markante Beispiele aus den familiären vogtländischen Geigenbauschulen ausgewählt. Eine typische Arbeit der alten Markneukirchner Ficker- Schule aus der Werkstatt von Johann Christian Ficker (1700-1722 verbürgt), und zwar um 1720, mit gedrucktem Zettel und Brandzeichen versehen, stellt Inr. 0906 dar: Schlichtes Holz, gründliche Leistung, jedoch nicht über Form gefertigt, kurze Ecken, deutliche Hohlkehlen, sehr sauber randnah eingelegte, fast zierlich zu nennende Randadern (nicht in der Hohlkehle liegend).
Die 1677 in den Artikeln der Geigenmacherinnung Markneukirchen festgelegte Forderung ans Meisterstück, nämlich gleichmäßig gelb zu lackieren, war längst aufgeweicht. Die Farben dieser Violine sind rötlichgelb mit einem rotbraunen Rand in der Hohlkehle. Durchgehend hellgelb lackiert ist die original erhaltene und mit gedrucktem Zettel signierte Violine von Carl Wilhelm Gläsel sen., Markneukirchen (1770-1855), Inr. 1352. Verwendung fand unregelmäßig eng geflammtes, vogtländisches Ahornholz.

Text: Dr. Bernhard Zoebisch